Schleckers Insolvenz 2012 war eine der größten Firmeninsolvenzen in Deutschland. Nun sollen die ehemaligen Mitarbeiter der Apothekenkette Geld bekommen – aber wohl überschaubare Beträge.
Helga Bandow war 25 Jahre bei Schlecker tätig. Hessin, 70, wurde kürzlich als stellvertretender Niederlassungsleiter eingestellt. Die Schließung traf sie in diesem Moment hart. “Wir waren alle sauer.”
Neulich erhielt er eine E-Mail von Insolvenzverwalter Schlecker. „Ich war völlig überrascht, als ich wieder etwas von dem Fall hörte“, sagt die Frau aus Gladenbach.
Lieferanten und Handwerker bekommen nichts
Aber der Brief war enttäuschend. Im Juli soll er eine Überweisung von 250 Euro erhalten haben – nicht mehr als „Windfall“. Dabei handelt es sich unter anderem um Ansprüche ehemaliger Mitarbeiter auf Lohn, Weihnachts- und Urlaubsgeld.
Gläubiger wie Lieferanten und Handwerker bekommen dagegen nichts. Dabei geht es immer noch um Schadensersatzforderungen in dreistelliger Millionenhöhe. Zehn Millionen Euro hat die Familie nun an den Insolvenzverwalter gezahlt. Hintergrund sind Absprachen zwischen Lieferanten, die Schlecker in der Vergangenheit zu überhöhten Preisen geführt hätten. „Dagegen haben wir zivilrechtlich geklagt. Das ist ein langer Prozess mit vielen Fällen“, sagte Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz.
Insgesamt bereitet er laut Geiwitz Zahlungen in Höhe von 21,3 Millionen Euro vor. Die sogenannten “Schlecker-Frauen” bekommen nur einen kleinen Teil davon ab. Ehemalige Mitarbeiter können nicht mehr als ein paar hundert Euro erwarten.
Der Expansionskurs führte in die Insolvenz
Schlecker, einst Europas größte Apothekenkette mit Sitz im baden-württembergischen Ehingen, meldete im Januar 2012 Insolvenz an. Der gelernte Metzgermeister Anton Schlecker aus dem kleinen Ort Ehingen bei Ulm eröffnete 1974 seine erste Apotheke. Nur drei Jahre später waren es bereits 100 Geäst.
Anton Schlecker musste von Anfang an mit Kritik leben. Die Kette zahlte ihm weniger als der Tarifvertrag und verhinderte die Bildung eines Betriebsrates. Andererseits schätzte Anton Schlecker die Verantwortung für sein Unternehmen mit seinem Privatvermögen.
Außerdem wollte er immer mehr Läden, um weiter zu wachsen. Doch die Kunden blieben aus. Die Geschäfte waren sehr klein, sehr alt und unattraktiv. Für moderne Umbauten fehlte das Geld.
Der Niedergang des Reiches zeichnete sich sechs Monate vor dem Bankrott ab. Im Juni 2011 kündigte Schlecker an, rund zehn Prozent seiner über 8.000 Filialen zu schließen. Der Grund: Es ist nicht mehr wirtschaftlich. Dann 2012 Konkurs. Die einst größte Apothekenkette Europas war nicht mehr zu retten und verschwand vom Markt. Rund 24.000 Beschäftigte verloren damals ihren Arbeitsplatz.
Anton Schlecker bleibt auf freiem Fuß
2017 wurde Anton Schlecker wegen vorsätzlicher Insolvenz zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Im Wissen um die drohende Insolvenz habe er Geld hinterlegt, urteilte das Gericht.
Als er kam, um die Nachricht von der Pleite zu überbringen, schickte er seine Kinder Lars und Meike nach vorne. Auf einer Pressekonferenz teilte die Tochter mit, dass “kein nennenswertes Vermögen mehr vorhanden ist”. Später stellt sich heraus, dass die Familie weitere Millionen gespart hatte. Die Anklagen beziehen sich auf Insolvenz und Untreue. Der Vater kommt mit einer Geldstrafe davon, die Kinder müssen ins Gefängnis – die Strafe beträgt zwei Jahre und sieben Monate. Sie werden Anfang Juni 2021 veröffentlicht.
Der Schlecker-Prozess vor dem Landgericht Stuttgart kostete 2017 mehr als 200.000 Euro. Das teilte die Staatsanwaltschaft Stuttgart auf Anfrage tagesschau.de mit. Die Kosten sind von den verurteilten Angeklagten zu tragen. Ob dies bereits geschehen ist, wollte eine Sprecherin der Oberfinanzdirektion Karlsruhe nicht bestätigen.
Das Insolvenzverfahren ist langsam
Die restlichen Ansprüche der ehemaligen Mitarbeiter bestehen fort. Auch Krankenkassen, Sozialversicherungen und die Bundesagentur für Arbeit haben Anfragen gestellt. Ob und in welcher Höhe weitere Zahlungen möglich sind, kann man laut Gallwitz aber erst am Ende des Insolvenzverfahrens sagen.
Er gehe derzeit davon aus, dass der Prozess in zwei bis drei Jahren abgeschlossen sein wird. Und vielleicht bekommt Helga Bandow noch einen Brief vom Insolvenzverwalter.