➤ Präsident von Litauen: „Dinge aus Deutschland sehen, die vor ein paar Monaten noch undenkbar waren“
Der litauische Präsident Gitanas Nauseda hat die Bundesregierung für ihren Wendepunkt bei den Waffenlieferungen an die Ukraine gelobt. „Wir sehen wirklich, wie groß diese, ich würde sagen, tektonischen Veränderungen in Deutschland sind. Vor allem seit Kriegsbeginn“, sagte Nauseda der Deutschen Presse-Agentur in einem Interview mit Vilnius. “Wir sehen Dinge, die vor ein paar Monaten noch undenkbar waren.” Das zeige sich vor allem in der Einschätzung der Lage, die „sehr ernst, sehr verantwortungsvoll“ sei. „Ich denke, die Illusionen sind jetzt weg. Ich sehe diese Diskussion über ein erneutes Engagement mit Russland nicht, weil alle verstehen, alle wach sind und alle erkennen, wie groß diese Bedrohung ist.“ Auch in der deutschen Politik hat es Veränderungen gegeben. Im Vorfeld der russischen Aggression in der Ukraine hatte die Bundesregierung zuletzt mehrere politische Umwälzungen vollzogen und etwa die Lieferung schwerer Waffen an Kiew und die massenhafte Aufrüstung der Bundeswehr beschlossen. Gleichzeitig drängte Nauseda auch auf eine schnellere Entscheidungsfindung. „Wir würden uns ein schnelleres Handeln wünschen, weil die Zeit drängt und die Ukrainer sehr tapfer kämpfen und mehr Waffen brauchen. Aber es wäre falsch, diese Veränderungen nicht innerhalb der deutschen Grenzen zu sehen“, sagte er. Der Chef des baltischen Staates und des Nato-Landes zeigte sich zudem überzeugt, dass auch Berlin eine stärkere Führungsrolle übernehmen werde. „Ich glaube, dass dies kommen wird, und natürlich sehen wir weitere Entscheidungen im Gange. Wir erwarten, dass diese militärische Unterstützung für die Ukraine noch stärker sein wird“, sagte Nauseda. (dpa) +++
Die Situation auf einen Blick:
Russland führt seit dem 24. Februar eine Luft- und Bodenoffensive gegen die Ukraine. Zuvor hatte Präsident Wladimir Putin das Existenzrecht der Ukraine als unabhängiger Staat in Frage gestellt und die sogenannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk in der Ostukraine anerkannt. Seitdem bekämpft die ukrainische Armee die Eindringlinge so gut sie kann. Tausende werden auf beiden Seiten als tot gemeldet, aber die genaue Zahl der Soldaten und Zivilisten wurde nicht unabhängig verifiziert. Tatsache ist: Die humanitäre Lage in der Ukraine verschlechtert sich täglich. Laut UNO haben mehr als 8 Millionen Menschen die Ukraine verlassen (Stand: 21. Juni), hauptsächlich Frauen und Kinder, da Männer zwischen 18 und 60 Jahren das Land nicht verlassen dürfen. Die EU und die USA haben mit Sanktionen reagiert. Sie liefern auch Waffen an die Ukraine und auch Deutschland unterstützt das Land mit Waffenlieferungen. Die Ukraine wird auch Panzer der Gepard-Klasse aus Deutschland erhalten. Bisher ist ausgeschlossen, dass die Nato aktiv in den Krieg eingreifen wird. Am ersten Aprilwochenende lösten Bilder der Leichen vieler Zivilisten in der Kleinstadt Bucha bei Kiew internationale Empörung aus. Die Ukraine spricht von schweren Kriegsverbrechen und Völkermord und macht russische Truppen dafür verantwortlich. Trotz zahlreicher Hinweise bestreitet Moskau eine Beteiligung an zivilen Todesopfern. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj betonte, dass die Verhandlungen mit Russland fortgesetzt werden müssten. Seit dem 18. April läuft ein lang geplanter Großangriff Russlands auf die Ostukraine. Russlands Angriff auf die Ukraine: Aktuelle Kampfhandlungen und Truppenbewegungen. (Achtung: Diese Infografik wird regelmäßig aktualisiert) © dpa infographic GmbH
Die anderen Meldungen vom 29. Juni:
Weitere Schlachten im Donbass-Gebiet
Die Kämpfe in der Ostukraine gehen weiter. Beide Seiten versuchen, die Kontrolle über eine wichtige Versorgungsroute für die stark umkämpfte ehemalige Stadt Lysychansk zu erlangen. Entlang dieser Straße schlug die ukrainische Armee nach eigenen Angaben einen russischen Vormarsch im Dorf Spirne zurück. Lysychansk werde weiterhin ständig mit Mörsern und anderer Artillerie bombardiert, sagte der Generalstab. Russische Truppen stehen bereits in den südlichen Vororten der Stadt. Auch Vertreter prorussischer Separatisten berichteten von Kämpfen in der Stadt. Verbindungen in die benachbarte Region Donezk stehen seit Tagen unter russischem Dauerfeuer. (dpa) +++
Kiesewetter kritisiert deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine als unzureichend
Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter warf der Bundesregierung vor dem Nato-Gipfel in Madrid vor, die Ukraine nicht ausreichend mit Waffen zu versorgen. „Es wurde prognostiziert, dass die Ukraine in die Verteidigung gehen wird, weil die Waffen erst seit Wochen versprochen, aber nicht geliefert wurden“, sagte Kiesewetter am Mittwoch der Passauer Neuen Presse. “Deutschland unterstützt das nachdrücklich.” Bundeswehrinterne Unterlagen hätten schon früh gezeigt, dass die Ukraine mit einer größeren Zahl von Marder-Panzern sowie Artillerie- und Leopard-Panzern hätte versorgt werden können, sagte Kiesewetter. Auch Ringtausch ist teilweise unmöglich geworden. “Deutschland hat viele sehr, sehr schwierige Dinge für die Ukraine getan. Offensichtlich wollen sie den Frieden durchsetzen, indem sie die Ukraine mit Lieferungen nur kleiner Mengen wichtiger Waffen aushungern, bis sie es nicht mehr können.” Der CDU-Politiker warnte, Russlands Präsident Wladimir Putin habe nicht nur das Ziel, die Ukraine zu zerschlagen, sondern auch Moldawien und die baltischen Staaten anzugreifen. “Wenn die Nato der Ukraine jetzt keine enorme Unterstützung leistet, werden wir die Machtpolitik Russlands akzeptieren.” (afp) +++
Verteidigungskommissare: Belastung durch Aufstockung der NATO-Arbeitsgruppe
Die von der Nato angekündigte drastische Aufstockung der Schnellaufstockung wird die Bundeswehr laut Bundeswehrbeauftragte Eva Högl stark belasten. „Es ist absehbar, dass die Anforderungen aus Deutschland steigen werden. Für die Bundeswehr ist das eine riesige Herausforderung und erfordert viel Einsatz in Personal, Ausstattung, Ausstattung und Infrastruktur“, sagte Högl der Augsburger Allgemeinen. Zu Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine kritisierte Högl, dass die Bundeswehrsoldaten, die die russische Armee am Militärstützpunkt Rukla in Litauen aufhalten sollten, nicht über eine Grundausstattung, darunter auch Unterwäsche, verfügten. Im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg will die Nato die Zahl ihrer schnellen Eingreiftruppen von etwa 40.000 auf mehr als 300.000 erhöhen. (dpa) +++
Der litauische Präsident pocht auf eine stärkere Nato-Präsenz in den baltischen Staaten
Kurz vor dem Nato-Gipfel pochte der litauische Präsident Gitanas Nauseda erneut auf eine stärkere Nato-Präsenz im östlichen Teil des Bündnisses. Im Vorfeld der russischen Offensive in der Ukraine müsse beim Gipfel in Madrid der Übergang von der Abschreckung zur Vorwärtsverteidigung vollzogen werden, sagte Nauseda der Deutschen Presse-Agentur im Gespräch mit Vilnius. Die bisherige Logik der Nato, die baltischen Staaten zu verteidigen, ist nicht mehr tragfähig. In den baltischen Staaten und auf der Ostseite der Nato brauche es mehr Bodentruppen, sagte der litauische Staatschef. Auch Luftverteidigung statt Luftüberwachung ist notwendig. Nauseda erwartete insbesondere die Formulierung in den Gipfelbeschlüssen, dass die bestehenden multinationalen NATO-Kampfverbände in den östlichen Mitgliedstaaten auf Brigadenebene aufgestockt würden. Deutschland hat bereits angekündigt, die Combat Brigade in Litauen führen zu wollen. „Dies zeigt, dass das Engagement Deutschlands, mehr Truppen hier in Litauen einzusetzen, sehr stark und entschlossen ist“, sagte Nauseda. “Das wissen wir sehr zu schätzen.” (dpa) +++
Biden begrüßt Einigung im Nato-Streit mit der Türkei
US-Präsident Joe Biden begrüßte kurz vor dem Bündnisgipfel in Madrid die Einigung im Streit mit der Türkei um den Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands. Er gratuliere der Türkei, Finnland und Schweden zur Unterzeichnung des Memorandums, sagte Biden am Dienstagabend in einer Erklärung. Dies ebne den Weg für die “Bündnispartner Finnland und Schweden, Menschen auf dem Madrider Gipfel zum NATO-Beitritt einladen zu können”. Der Beitritt Finnlands und Schwedens „wird die kollektive Sicherheit der NATO stärken und dem gesamten transatlantischen Bündnis zugute kommen“. Bidens Erklärung fuhr fort: „Zu Beginn dieses historischen NATO-Gipfels in Madrid ist unser Bündnis stärker, vereinter und entschlossener als je zuvor.“ Kurz vor dem Gipfeltreffen der 30 Bündnispartner in der spanischen Hauptstadt zog die Türkei ihren Widerstand gegen einen Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands zurück. Die beiden nordischen Länder hatten sich aufgrund des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine um die Mitgliedschaft beworben. Der russische Einmarsch in die Ukraine ist eines der zentralen Themen des Nato-Gipfels am Mittwoch und Donnerstag. (dpa) +++ Mit Material von dpa und AFP Die Ticker der letzten Tage zum Nachlesen: Aktualisiert am 28.06.2022 um 09:59 Uhr Der Palais des Champs-Elysees hat das Protokoll des Telefongesprächs zwischen dem französischen Präsidenten Emanuel Macron und …