Mit ihrem Fall hätte die Ukraine die letzte größere Stadt im Gebiet Luhansk verloren. Von ukrainischer Seite wurde die angebliche Eroberung zunächst nicht bestätigt. Der Generalstab in Kiew hatte in der Früh lediglich mitgeteilt, dass russische Truppen in der Stadt seien und versuchten, ihre Positionen auszubauen. Lyssytschansk ist Teil des Ballungsraums Sjewjerodonezk-Lyssytschansk, um den monatelang gekämpft wurde. Vor dem Krieg lebten insgesamt 380.000 Einwohnern in dem Ballungsgebiet. Lyssytschansk ist ist strategisch, aber auch symbolisch von Bedeutung. Die Stadt war ein bedeutendes Industriezentrum, unter anderem für die Ölverarbeitung. Die Eroberung des Gebiets war von Beginn an von russischer Seite als wichtiges Kriegsziel ausgegeben worden. Der russische Angriffskrieg gegen das Nachbarland dauert inzwischen schon mehr als vier Monate. Bei Explosionen in der russischen Stadt Belgorod nahe der Grenze zur Ukraine kamen unterdessen nach Angaben des Gouverneurs der Region drei Menschen ums Leben. Das schrieb Wjatscheslaw Gladkow am Sonntag laut Agentur Tass im Nachrichtendienst Telegram. Vier weitere Menschen seien verletzt worden, darunter ein zehnjähriges Kind. Mindestens elf Wohnblöcke und 39 Privathäuser seien beschädigt worden. Die Ursachen des Vorfalls würden untersucht. Die Angaben waren von unabhängiger Seite nicht überprüfbar. Aus der Ukraine lag zunächst keine Reaktion vor. In Belgorod leben knapp 400.000 Menschen. Die Stadt liegt gut 40 Kilometer nördlich der Grenze zur Ukraine und ist das Verwaltungszentrum der gleichnamigen Region. Seit Russlands Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar gab es immer wieder Berichte über Angriffe in Belgorod und andere grenznahe Gebiete. Moskau wirft der Ukraine vor, hinter den Angriffen zu stecken. Die Regierung in Kiew hat sich nicht dazu bekannt, die Vorfälle aber als Quittung und Karma für Russlands Invasion bezeichnet. Neben Belgorod werfen auch andere russische Regionen – darunter Kursk und Brjansk – der ukrainischen Seite immer wieder Beschuss vor. Kiew äußert sich zu den Vorwürfen in der Regel nicht. Ukrainische Angriffe wurden indes aus der russisch-besetzten Stadt Melitopol im Süden der Ukraine gemeldet. Mehr als 30 Geschosse seien auf einen der vier russischen Militärstützpunkte in der Stadt abgefeuert worden, teilte der ukrainische Bürgermeister von Melitopol, Iwan Fjodorow, am Sonntag in einer auf seinem Telegram-Kanal verbreiteten Videoansprache mit. Der Stützpunkt sei damit außer Gefecht gesetzt worden. Laut Fjodorow wurden Militärgerät und mehrere Treibstofflager getroffen. Daher hielten die Explosionen auch Stunden nach den Angriffen noch an. Tatsächlich tauchten in den sozialen Netzwerken Bilder und Videos auf, die Rauchwolken über der Stadt zeigen. Zugleich wurde bekannt, dass Ein- und Ausfahrt aus der Stadt gesperrt wurden. Nach Aussagen Fjodorows wurde zudem ein russischer Zug zum Entgleisen gebracht. Dieser habe Nachschub für die russischen Besatzer in die Stadt bringen sollen. Die russische Militärverwaltung der Stadt bestätigte in der Früh den Angriff auf Melitopol. Ihren Angaben nach wurden mehrere Wohnhäuser durch den Beschuss mit Raketenwerfern beschädigt. Zudem sei ein Zug beschossen worden, der Lebensmittel von der Krim in die Stadt gebracht habe. Während die russischen Truppen nach Beginn ihrer Invasion Melitopol relativ schnell erobern konnten, gibt es in der zweitgrößten Stadt des Gebiets Saporischschja nach wie vor Widerstand gegen die russische Besetzung. So wurden zuletzt vermehrt Partisanenaktivitäten und Anschläge auf prorussische Beamte in der Region gemeldet. Die Front zwischen russischen und ukrainischen Truppen verläuft derweil rund 60 Kilometer nördlich der Großstadt. In Richtung Bachmut, einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt im Gebiet Donezk, halten die Kämpfe hingegen an. Gleiches gilt für Spartak, eine Vorortsiedlung von Donezk, die die russischen Truppen zu stürmen versuchen. Im Süden der Ukraine sei die Siedlung Iwaniwka, die die ukrainischen Truppen am Vortag im Gebiet Cherson erobert hätten, schweren russischen Luftangriffen ausgesetzt. Zudem würde das Gebiet Mykolajiw von Raketen beschossen. Unabhängig sind die Angaben nicht zu überprüfen.