Der Prozess ist seit dem 13. Juni unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Zwangsvollstreckung wurde am ersten Tag von Grasser und seinem steuerfachlichen Mitbeklagten beantragt. Das Verfahren betraf den Vorwurf der Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit der Vermittlung des Grasser-Engagements bei Meinl International Power (MIP). Grasser und sein Anwalt wiesen den Vorwurf zurück. Das Gericht musste klären, ob Grasser die MIP-Verkaufsprovisionen zuzurechnen waren und ob er persönlich steuerpflichtig war – das sah der ehemalige Finanzminister nicht so. APA/Roland Schlager Grasser vor Verhandlungsbeginn Mitte Juni Grasser soll laut Anklage Millionenprovisionen aus seiner Tätigkeit für MIP nicht in seiner Einkommensteuererklärung ausgewiesen und zu wenig Steuern gezahlt haben. Die daraus resultierende Steuerentlastung beträgt rund 2,2 Millionen Euro.
Gegenseitige Beschwerden
Grasser wies die Vorwürfe zurück. Er sah es als Pflicht gegenüber seinem Berater, der auf die Idee kam, durch die Steueroase der Britischen Jungferninseln zu bauen. Er habe sich laut Grasser voll und ganz auf seinen Berater verlassen. Grasser sieht sich damit von seinem ebenfalls angeklagten Steuerberater falsch beraten, während gleichzeitig ein Zivilverfahren läuft, das derzeit ruht. Sein Steuerberater wiederum habe die Verantwortung dafür übernommen, dass Grasser gegen seinen Rat gehandelt habe. Laut seinem Steuerberater änderte Grasser den Plan aus eigener Initiative. Die Staatsanwaltschaft charakterisierte es wie folgt: Beide hätten versucht, „ihre eigene Verantwortung herunterzuspielen und auf den anderen abzuwälzen“. Zu Beginn des ersten Verhandlungstages, noch in der Öffentlichkeit, fragte Richter Tolstiuk Grasser routinemäßig nach seinem Einkommen. Grasser erklärte, er wolle keine Angaben zu seiner beruflichen Tätigkeit, seinem Einkommen, seinem Vermögen und allfälligen Schulden machen. Sein mitangeklagter Steuerfachmann stimmte zu. Der zweite Angeklagte erschien am ersten Verhandlungstag mit drei Anwälten und einem Sachverständigen mit “besonderer Sachkunde”.
BUWOG-Verfahren: Grasser hat Vollwiderspruch eingelegt
Und auch die Justiz hatte vorgesorgt. Obwohl für das Urteil zwei Schöffen benötigt wurden, wurden neun Personen ernannt – im BUWOG-Prozess waren es sogar noch mehr, nämlich zwölf. Schnell tauchten eine Reihe von Krankheiten auf, die in einem oft zeitaufwändigen Prozess die Reihen der Laienrichter schnell reduzierten. Der Steuerfall war auf acht Verhandlungstage angesetzt, im BUWOG-Verfahren wurden rekordverdächtige 168 Verhandlungstage aufgestellt. Tolstiuk hat in den letzten Jahren viele wichtige Geschäftsthemen geleitet. Wie im BUWOG-Prozess vertraten die beiden Oberstaatsanwälte Gerald Denk und Alexander Marchart die Staatsanwaltschaft. Am 4. Dezember 2020 wurde Grasser von einem Volksrichter in Wien in den Fällen BUWOG und Terminal Tower Linz zu acht Jahren Haft verurteilt. Der frühere Finanzminister hat in vollem Umfang Berufung eingelegt, aber das Berufungsverfahren wird in diesem Jahr nicht stattfinden. Grasser bestreitet alle Vorwürfe. Es gilt die Unschuldsvermutung.