Erst Corona, jetzt Russlands Angriffskrieg in der Ukraine mit allen wirtschaftlichen Folgen: Deutschlands Rentner sind von diesen Folgen besonders betroffen.
BILD war bei einem Rentnerkaffee in einem Garten in Berlin-Neukölln und hat die Senioren gefragt: Wie geht es Ihnen?
Horst Mitte (87, 1820 Euro netto Rente) aus Berlin-Biesdorf war Stahlbauarbeiter und ist mit seiner Frau Inge (84, 1165 Euro netto), einer ehemaligen Bürokauffrau, mit dem ehemaligen Fernfahrer Wolfgang Persky (76, 2200 Euro netto) zusammen ) betritt den Garten. Mit seinem Partner Pa Königsmann (68.460 Euro netto) hat er sich ein kleines Paradies gebaut. Pa, die früher in einer Fischfabrik und als Blumenfrau gearbeitet hat, baut im Dorfgarten thailändisches Gemüse und Kräuter aus ihrer Heimat an.
Dazu kommen Gartennachbar Rolf Hellmann (75, 1122 Euro netto), ehemaliger Reisekaufmann, und gelernter Hutmacher und Berliner Skaterhandwerker Werner Theissen (83), der nicht genau weiß, wie viel Rente er bekommt: „Meine Frau nimmt sich darum kümmern, sich darum zu kümmern.”
Berliner Rentner beim Kaffeekränzchen im Appartementgarten
Foto: Ufuk Ucta
Die Sonne scheint, der Kaffee ist heiß und der Kuchen aus einem Britzer Café steht auch auf dem Biergartentisch unter einem Schiebedach auf einer grünen Wiese.
Horst Mitte, Stahlbrille, weißes Poloshirt, trinkt einen Schluck Kaffee und sagt: „Mein Großvater ist mit 16 zwei Wochen vom Königreich Sachsen ins Königreich Preußen gewandert und hat hart gearbeitet. Aber dann brach alles zusammen. Meine Großeltern haben Ende der 1920er Jahre die Große Inflation in Berlin miterlebt, sie geht noch immer dahin. Geld wird wertlos.”
Es begann mit Corona, jetzt der Krieg in der Ukraine. “Ich erinnere mich, was Krieg bedeutet”, sagt er. „Wenn jetzt etwas passiert, haben wir nicht einmal mehr richtige Unterkünfte. Mit zehn Jahren ging ich in Biesdorf durch einen Hagel von Stalins Orgeln, der damals die Frankfurter Allee zerstörte. Die Bilder kommen jetzt zurück, der dritte Weltkrieg steht vor der Tür.”
Horst Mitte (rechts) spricht über den Krieg, Rolf Hellmann (links) hört zu
Foto: Ufuk Ucta
Als die Russen in die Stadt kamen und die Schreie vergewaltigter Frauen aus den Häusern hallten, wollten seine Eltern unbedingt auch ihren Sohn aufhängen. Er schaffte es gerade noch, sie abzuwehren.
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Damals waren die Russen noch Befreier, sie kämpften schließlich gegen Hitlers Völkermord. „Und jetzt behaupten die Russen, es gäbe Nazis in der Ukraine. Wo sind die Nazis? Wenn jemand Nazi-Methoden anwendet, dann sind es jetzt die Russen selbst”, sagt er.
Seine Frau Inge, die sich die Haare rot gefärbt hat, sagt: „Die Preise steigen deutlich, aber es gibt noch wenige Angebote. Wir stocken auf, wenn etwas billig ist, kaufen wir mehr. Gott sei Dank haben wir ein eigenes Haus, aber das Heizen ist uns wichtiger. Dann ist es an der Zeit, eine Strickjacke anzuziehen und weniger zu duschen. Im Prinzip ist es Solidarität mit den Ukrainern. Und nicht umsonst sagt man: „Die reichen Deutschen“. Global geht es uns immer noch sehr gut.”
Der Garten in Berlin-Neukölln
Foto: Ufuk Ucta
Ihr Mann sagt: „Ja, wenn eine Kiste Bier weniger als zehn Euro kostet, kaufe ich einfach drei und stelle sie in die Garage. Doch das Schlimmste steht noch bevor, nämlich die Energiekosten. Das wird ein großer Erfolg. Wir haben am Ende des Ersten Weltkriegs Kartoffelschalen gegessen, das war irgendwie möglich, aber wenn einem die Energie ausgeht, hört der Spaß auf. Warum bauen die Finnen Atomkraftwerke und wir nicht? Wir haben wirklich keine Wahl, wir haben keine Ressourcen auf der Erde. Unsere Politiker müssen sich etwas überlegen.”
Wolfgang Persky, gebürtiger Berliner mit Berliner Nase und freundlichem Lächeln, sagt: „Wenn ich in den Laden gehe, ist mein Geldbeutel leer. Mit 30 Euro habe ich früher einen ziemlich großen Korb bekommen, jetzt ist es deutlich weniger!”.
Wolfgang Persky macht sich Sorgen um sein Geld
Foto: Ufuk Ucta
Rolf Hellmann, ursprünglich aus Sachsen, nickt: „Als ich mir angesehen habe, wie viel Hackfleisch kostet, sind mir die Augen aus dem Kopf gefallen. Von 2,49 Euro auf das Doppelte fängt das die Rentenerhöhung nicht an. Ich habe mir jetzt die Sonderangebote angesehen und eingefroren. Und ich habe bis zu meinem 74. Lebensjahr für 450 Euro gearbeitet.
Eines ärgert ihn besonders: „Es ist doch absurd, dass wir Rentner nicht den Festbetrag von 300 Euro für Energiekosten bekommen. Wir haben fast alle Autos.”
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Persky antwortet: „Und dieses 9-Euro-Ticket ist ein Stück, das uns zugeworfen wird, aber es ist wertlos. Für neun Euro an die Ostsee fahren und dann? Dort ist alles teurer.”
Werner Thyssen, ein glücklicher alter Mann, erzählt, wie seine Familie mit den gestiegenen Preisen fertig wird: „Meine Frau kocht mehr, wir gehen weniger ins Restaurant. Mein einziges Hobby ist immer noch Schlittschuhlaufen, einmal in der Woche bei der Landesmeisterschaft – aber das bringt kein Geld. 50 Cent pro verlorenem Spiel, das geht noch.”
Werner Thyssen war einst Schatzmeister von Berlin
Foto: Ufuk Ucta
Wolfgangs Partner Persky Pa hat mit 460 Euro im Monat die niedrigste Rente. Und sie meistert das so gut sie kann. „Meine geliebte Tochter gibt mir 250 Euro im Monat, das hilft“, sagt er. „Ich kaufe auch weniger, nur das Wichtigste. Gemüse und Kräuter baue ich hier im Garten selbst an.“ Sie zeigt auf frisches Thai-Basilikum und Koriander aus ihrem Bett. Das sieht aus wie ihre thailändische Heimat. „In den Läden ist es jetzt zu teuer“, sagt er.
Da Koenigsmann baut Kräuter an, um Geld zu sparen
Foto: Ufuk Ucta
Rentner reden über das Leben, Krieg, Zukunft, Enkelkinder. Wie kann das alles Ihrer Meinung nach verbessert werden?
Wolfgang Persky sagt: „Wir haben die Corona-Krise überstanden und uns drei- bis viermal impfen lassen. Das werden wir jetzt auch tun.”
Inge Mitte sagt: „Ich hoffe, man kann mit Diplomatie noch etwas anfangen, Waffen allein können das nicht lösen.“
Inge Mitte mit ihrem Mann Horst. Er hofft auf Diplomatie
Foto: Ufuk Ucta
Doch ihr Mann Horst sagt traurig: „Die Diplomatie war leider lahmgelegt. Ex-KGB-Mann Putin redet nicht einmal von Angesicht zu Angesicht, sondern mit seinem langen Tisch dazwischen. Solch ein Bastard kann nicht durch freundliche Worte besänftigt werden.’
Sie haben es noch gut im grünen Garten zwischen Blumen, Bäumen und Vogelgezwitscher. „Aber hier könnte jeden Moment eine russische Granate einschlagen“, erinnert sich Horst.