Das Europäische Parlament verfolgt damit die Entscheidung der Kommission, Erdgas und Kernenergie als nachhaltig einzustufen. Umweltschützer werfen der EU jetzt Greenwashing vor.
1/2 Die EU-Kommission hat die Energieerzeugung aus Erdgas- und Kernkraftwerken als klimafreundlich eingestuft. Julian Stratenschulte/dpa Vor allem Frankreich hat sich stark dafür eingesetzt, dass Kernkraft als nachhaltig gekennzeichnet wird. Urs Jaudas Tamedia Das Europäische Parlament hat der Einstufung von Erdgas und Kernenergie in der EU als nachhaltig zugestimmt. Ein Beschluss zur Sperrung der sogenannten Einstufung fand am Mittwoch im Straßburger Parlament nicht die nötige Mehrheit. 278 Abgeordnete stimmten für den Ausschluss, 328 dagegen und 33 enthielten sich. Für einen Ausschluss wäre eine absolute Mehrheit von 353 der 705 Abgeordneten erforderlich. Anfang Februar hat die EU-Kommission ihre Pläne vorgestellt, beide Energieformen Kernkraft und Erdgas in die sogenannte Einstufungsverordnung aufzunehmen. Die ab 2020 gültige Klassifizierung umfasst bislang grüne Energien wie Wind- und Solarenergie und soll ein europäisches Gütesiegel für nachhaltige Finanzprodukte schaffen. Der Schritt würde auf eine formelle Empfehlung für private Investitionen in Atom- und Erdgasprojekte hinauslaufen.
Die Entscheidung spaltet die EVP-Fraktion
Die Mehrheit der Grünen, Sozialdemokraten und linken Fraktionen im EU-Parlament hatte zuvor angekündigt, gegen die Aufnahme von Atomkraft und Erdgas in die Einstufung zu stimmen. Die konservative EVP-Fraktion, zu der deutsche Abgeordnete von CDU und CSU gehören, wurde gespalten. Greenpeace kündigte am Mittwoch nach der Abstimmung an, rechtliche Schritte gegen die Kommission einzuleiten. Umweltschützer werfen der EU-Kommission “Greenwashing” vor. Nach dem Kommissionsvorschlag könnten Genehmigungen für neue Kernkraftwerke bis etwa 2045 unter die Einstufungsverordnung fallen. Mit Hilfe dieser Verordnung will die EU ihren „Green Deal“ umsetzen und bis 2050 klimaneutral werden. Dafür werden laut EU-Kommission jährlich 350 Milliarden Euro benötigt. Die Klassifizierung soll dabei helfen, privates Kapital für Klimaziele zu mobilisieren.
Das Swiss Nuclear Forum begrüsst den Entscheid
„Das Swiss Nuclear Forum begrüsst diesen Entscheid. Kernenergie ist eine der CO2-ärmsten Energieerzeugungsarten und kann einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten“, heißt es in einer Medienmitteilung vom Mittwoch. Während der Debatte am Dienstag betonten die Abgeordneten mehrfach, dass Klimaschutz und Versorgungssicherheit gleichzeitig in einem Europa ohne Atomkraft nicht möglich seien. „Wir freuen uns sehr, dass sich im Europäischen Parlament die Fakten und die bekannten Vorteile der Kernkraftwerke durchgesetzt haben“, sagt Hans-Ulrich Bigler, Präsident des Nuklearforums Schweiz. Die Schweizerische Energiestiftung sieht das anders. „Mit der Entscheidung vergibt die EU ein Nachhaltigkeitssiegel an jene Sektoren, die im Zentrum der aktuellen Energiekrise in Europa stehen“, schreibt die Stiftung in ihrer Stellungnahme. Erdgas und Kernenergie sind die Ursache und nicht die Lösung der Energiekrise, dieser Krise kann nur durch gezielte Maßnahmen im Bereich der erneuerbaren Energien begegnet werden.