Brandenburg/Havel – Nach 34 Verhandlungstagen steht fest: KZ-Wachmann Josef S. (101) ist schuldig. 5 Jahre Haft, entschied das Gericht am Dienstag. S. ist mitverantwortlich für das Morden und Sterben von 3516 Häftlingen im KZ Sachsenhausen. Josef S. tat dort Dienst von Oktober 1941 bis Februar 1945. Ohne Regung, fast unbeteiligt, hörte der Angeklagte über viele Prozesstage die Worte des Opferanwalts – und so nahm er am Dienstag auch das Urteil auf. Das Gericht kommt mit der Haftstrafe von fünf Jahren der Forderung der Anklage nach – und bewegt sich am oberen Limit der Strafmöglichkeit. Richter Udo Lechtermann: „Das ungesühnte Schicksal der Überlebenden darf von der deutschen Justiz nicht vergessen werden“, deshalb erübrigt sich die Frage nach der Notwendigkeit dieses Prozesses. „Sie, Herr S., waren drei Jahre als Wachmann Teil des Terror- und Folternetzwerks im KZ Sachsenhausen und haben den massenhaften Mord an den Insassen befördert!“ In seinem Schlusswort am Montag beteuerte S. noch weiterhin seine Unschuld. „Ich weiß überhaupt nicht, was ich getan haben soll“, sagte der 101-Jährige. Er komme aus Litauen und wisse nicht, wovon im Prozess gesprochen worden sei. „Ich weiß nicht, warum sitze ich hier auf der Strafbank“, klagte er. „Ich habe doch gar nichts damit zu tun.“ Auch interessant ► Der Verteidiger hatte einen Freispruch für seinen Mandanten gefordert. Dem 101-Jährigen hätten keine konkreten Taten der Beihilfe zum Mord an Tausenden Lagerhäftlingen nachgewiesen werden können, sagte Verteidiger Stefan Waterkamp am Montag in seinem Plädoyer. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reiche eine allgemeine Tätigkeit im Wachdienst eines KZ für eine Verurteilung wegen Beihilfe aber nicht aus. Für eine Verurteilung zu einer Haftstrafe haben die Verteidiger von S. bereits im Vorfeld Revision angekündigt. In diesem Fall müsste der Bundesgerichtshof (BGH) über Rechtmäßigkeit oder Wiederaufnahme entscheiden – und das kann dauern! Lesen Sie auch
Der 101-Jährige hat in dem seit Oktober vergangenen Jahres laufenden Prozess konsequent bestritten, dass er in dem KZ überhaupt tätig war und angegeben, er habe in der fraglichen Zeit von 1942 bis Anfang 1945 als Landarbeiter bei Pasewalk (Mecklenburg-Vorpommern) gearbeitet. Die Staatsanwaltschaft stützt sich bei ihrer Anklage aber auf Dokumente zu einem SS-Wachmann mit dem Namen, dem Geburtsdatum und dem Geburtsort des Mannes sowie auf weitere Dokumente. Zu einer langen Prozess-Unterbrechung war es aufgrund einer Corona-Erkrankung und eines Geschwüres am Fuß des 101-Jährigen gekommen. Wegen seines hohen Alters durfte nur zwei bis zweieinhalb Stunden pro Tag verhandelt werden. Der Prozess wurde aus organisatorischen Gründen am Wohnort des Angeklagten in Brandenburg/Havel geführt. Exklusive BILD-Doku „Sheindis Tagebuch“ Quelle: BILD 13.10.2021