Nils Arztmann zeigt großes Potenzial als Kostja, die Szene mit bandagiertem Kopf vibriert vor Verzweiflung und inzestuöser Erotik mit seiner Mutter Arkadina (Sandra Cervik ist dominant ohne zu glänzen) ist beeindruckend. Claudius von Stolzmann ist ein sehr jugendlich aussehender Trigorin, seine Knechtschaft in Arkadina und seine gefährliche Wirkung auf Frauen werden nur angedeutet. (Nettes Detail: Als Cervik ihr Obergewand auszieht, um Trigorin daran zu erinnern, was er an ihr mag, flüstert jemand im Publikum deutlich: „Nein, nicht! Das geht zu weit!“ Paula Nocker, die Tochter des Regisseurs, spielt Nina als naives Mädchen im Pünktchenkleidchen, nur merkt man am Ende, dass mehr hinter der Rolle und der Schauspielerin steckt. In einigen Nebenrollen wird ganze Arbeit geleistet: Martin Schwab als Sorin, der durchsichtig wird, Johanna Mahaffy als am Leben leidende Masha und Günter Franzmeier als Arzt mit philosophischer Vorliebe zeigen großes Potenzial. Am Ende herrscht große Freude. Reichenau bietet weiterhin einen sicheren Fluchtweg aus dem Regietheater und der Disruption.guido tartarotti