Ob DNA-Bausteine, Peptide, Fullerene oder aromatische Kohlenwasserstoffe: Komplexe organische Moleküle findet man nicht nur auf der Erde oder auf anderen Planeten, sondern auch im Weltall in Hülle und Fülle. Vor allem in den kalten Gaswolken von Sternkratern oder in interstellaren Staubkörnern finden auch bei schwachem Licht und niedrigen Temperaturen chemische Reaktionen statt, die zu immer größeren und komplexeren Molekülen führen. Die bestimmenden Elemente des irdischen Lebens könnten eines Tages aus dem All kommen. Die Radioteleskope des ALMA-Observatoriums eignen sich zum Nachweis komplexerer organischer Moleküle im Weltraum. © Y. Beletsky (LCO) / ESO

Isopropanol-Fahndung im Weltraum

Astronomen haben nun eine weitere Variante des organischen Moleküls im Weltraum identifiziert: Isopropanol. Dieser Alkohol hat ein Kohlenstoffatom mehr als Ethanol und wird hauptsächlich als Lösungs- und Reinigungsmittel verwendet. Isopropanol wird auch zur Desinfektion eingesetzt – unter anderem während der Corona-Pandemie. Arnaud Belloche vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn und Kollegen nutzten das Array Atacama Large Millimeter / submillimeter Array (ALMA) in Chile, um zu untersuchen, ob dieser Alkohol auch im Weltraum existiert. Die Radioteleskope dieses Observatoriums eignen sich aufgrund ihrer hohen Empfindlichkeit, hohen Winkelauflösung und breiten Erfassungsfrequenz besonders zum Nachweis komplexerer Moleküle. „Je größer das Molekül ist, desto mehr Spektrallinien sendet es bei unterschiedlichen Frequenzen aus“, erklärt Holger Müller, Autor der Universität zu Köln. Außerdem überlagern sich in kalten, dichten Molekülwolken die Spektren verschiedener Moleküle, was ihre Identifizierung zusätzlich erschwert.

Der größte Alkohol, der jemals im Weltraum entdeckt wurde

Für ihre Studie zielten Astronomen auf ALMA-Antennen in der Molekülwolke Sagittarius B2 in der Nähe des galaktischen Zentrums der Galaxis. In dieser Wiege wurden bereits organische Moleküle wie Propylenoxid, Propylcyanid oder Ethanol nachgewiesen. „Propanol steht schon lange auf unserer Liste der nachzuweisenden Moleküle“, erklärt Müllers Kollege Oliver Zingsheim. Aber nur genaue Laboranalysen der typischen spektralen Eigenschaften dieses Moleküls machten die Suche möglich. Mit Erfolg: Im Gewirr unzähliger Spektrallinien haben Forscher nicht nur die Signaturen von Methanol und Ethanol identifiziert, sondern auch sieben Linien, die eindeutig Isopropanol zugeordnet werden können. „Soweit wir wissen, ist dies der erste interstellare Nachweis dieses Moleküls“, sagen Belloche und Kollegen. Es ist auch der größte Alkohol, der jemals im Weltraum gefunden wurde. Den Daten zufolge beträgt die Dichte von Isopropanol im untersuchten Teil der Gaswolke etwa 130 Billionen Moleküle pro Quadratzentimeter – das ist 30 Mal geringer als die von interstellarem Ethanol.

Interstellare Granulateiskruste als “Chemiefabrik”

Neben Isopropanol konnten Astronomen auch die spektrale Signatur von “normalem” Propanol nachweisen. In diesem Molekül befindet sich die -OH-Gruppe im ersten statt im zweiten, mittleren Kohlenstoffatom. „Der Nachweis beider Isomeren von Propanol ist von einzigartiger Bedeutung, wenn es darum geht, den Bildungsmechanismus beider Isomere zu bestimmen“, erklärt Co-Autor Rob Garrod von der University of Virginia. In der interstellaren Wolke treten beide Varianten von Propanol im Verhältnis 60:40 auf, wie die Forscher ermittelten. Mit Hilfe eines Modells konnten sie die Bildung von Isopropanol anhand von Beobachtungsdaten rekonstruieren. Dementsprechend bildet sich in der Eisschicht aus interstellaren Staubkörnern Alkohol. Wenn das Eis zu steigen beginnt, kommen die im Eis eingeschlossenen Vorläufer der organischen Materie miteinander in Kontakt. Dabei kommt es zur Reaktion von OH-Radikalen mit Propylen und Propanolen.

Es gibt so viel mehr da draußen

Wie Astronomen erklären, wurde jedoch nur ein Bruchteil der Moleküle und komplexen chemischen Reaktionen in interstellaren Gaswolken entschlüsselt. „Es gibt noch viele unerkannte Linien im ALMA-Spektrum von Sgr B2 und daher ist noch viel Arbeit zu leisten, um die chemische Zusammensetzung dieser wichtigen Quelle aufzudecken“, erklärt Seniorautor Karl Menten vom MPI für Radioastronomie. „In naher Zukunft wird die Erweiterung der ALMA-Instrumente auf niedrigere Frequenzen wahrscheinlich dazu beitragen, die Verwirrung des Spektrums weiter zu reduzieren und möglicherweise mehr organische Moleküle in Sgr B2 zu entdecken“, sagte der Astronom. (Astronomie & Astrophysik, 2022; doi: 10.1051 / 0004-6361 / 202243575) Quelle: Max-Planck-Institut für Radioastronomie 29. Juni 2022 – Nadja Podbregar


title: “Desinfektionsmittel Im All Entdeckt Gaswolke Im Galaktischen Zentrum Enth Lt Das Organische Molek L Isopropanol " ShowToc: true date: “2022-11-03” author: “Jane Gunther”


Ob DNA-Bausteine, Peptide, Fullerene oder aromatische Kohlenwasserstoffe: Komplexe organische Moleküle findet man nicht nur auf der Erde oder auf anderen Planeten, sondern auch im Weltall in Hülle und Fülle. Vor allem in den kalten Gaswolken von Sternkratern oder in interstellaren Staubkörnern finden auch bei schwachem Licht und niedrigen Temperaturen chemische Reaktionen statt, die zu immer größeren und komplexeren Molekülen führen. Die bestimmenden Elemente des irdischen Lebens könnten eines Tages aus dem All kommen. Die Radioteleskope des ALMA-Observatoriums eignen sich zum Nachweis komplexerer organischer Moleküle im Weltraum. © Y. Beletsky (LCO) / ESO

Isopropanol-Fahndung im Weltraum

Astronomen haben nun eine weitere Variante des organischen Moleküls im Weltraum identifiziert: Isopropanol. Dieser Alkohol hat ein Kohlenstoffatom mehr als Ethanol und wird hauptsächlich als Lösungs- und Reinigungsmittel verwendet. Isopropanol wird auch zur Desinfektion eingesetzt – unter anderem während der Corona-Pandemie. Arnaud Belloche vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn und Kollegen nutzten das Array Atacama Large Millimeter / submillimeter Array (ALMA) in Chile, um zu untersuchen, ob dieser Alkohol auch im Weltraum existiert. Die Radioteleskope dieses Observatoriums eignen sich aufgrund ihrer hohen Empfindlichkeit, hohen Winkelauflösung und breiten Erfassungsfrequenz besonders zum Nachweis komplexerer Moleküle. „Je größer das Molekül ist, desto mehr Spektrallinien sendet es bei unterschiedlichen Frequenzen aus“, erklärt Holger Müller, Autor der Universität zu Köln. Außerdem überlagern sich in kalten, dichten Molekülwolken die Spektren verschiedener Moleküle, was ihre Identifizierung zusätzlich erschwert.

Der größte Alkohol, der jemals im Weltraum entdeckt wurde

Für ihre Studie zielten Astronomen auf ALMA-Antennen in der Molekülwolke Sagittarius B2 in der Nähe des galaktischen Zentrums der Galaxis. In dieser Wiege wurden bereits organische Moleküle wie Propylenoxid, Propylcyanid oder Ethanol nachgewiesen. „Propanol steht schon lange auf unserer Liste der nachzuweisenden Moleküle“, erklärt Müllers Kollege Oliver Zingsheim. Aber nur genaue Laboranalysen der typischen spektralen Eigenschaften dieses Moleküls machten die Suche möglich. Mit Erfolg: Im Gewirr unzähliger Spektrallinien haben Forscher nicht nur die Signaturen von Methanol und Ethanol identifiziert, sondern auch sieben Linien, die eindeutig Isopropanol zugeordnet werden können. „Soweit wir wissen, ist dies der erste interstellare Nachweis dieses Moleküls“, sagen Belloche und Kollegen. Es ist auch der größte Alkohol, der jemals im Weltraum gefunden wurde. Den Daten zufolge beträgt die Dichte von Isopropanol im untersuchten Teil der Gaswolke etwa 130 Billionen Moleküle pro Quadratzentimeter – das ist 30 Mal geringer als die von interstellarem Ethanol.

Interstellare Granulateiskruste als “Chemiefabrik”

Neben Isopropanol konnten Astronomen auch die spektrale Signatur von “normalem” Propanol nachweisen. In diesem Molekül befindet sich die -OH-Gruppe im ersten statt im zweiten, mittleren Kohlenstoffatom. „Der Nachweis beider Isomeren von Propanol ist von einzigartiger Bedeutung, wenn es darum geht, den Bildungsmechanismus beider Isomere zu bestimmen“, erklärt Co-Autor Rob Garrod von der University of Virginia. In der interstellaren Wolke treten beide Varianten von Propanol im Verhältnis 60:40 auf, wie die Forscher ermittelten. Mit Hilfe eines Modells konnten sie die Bildung von Isopropanol anhand von Beobachtungsdaten rekonstruieren. Dementsprechend bildet sich in der Eisschicht aus interstellaren Staubkörnern Alkohol. Wenn das Eis zu steigen beginnt, kommen die im Eis eingeschlossenen Vorläufer der organischen Materie miteinander in Kontakt. Dabei kommt es zur Reaktion von OH-Radikalen mit Propylen und Propanolen.

Es gibt so viel mehr da draußen

Wie Astronomen erklären, wurde jedoch nur ein Bruchteil der Moleküle und komplexen chemischen Reaktionen in interstellaren Gaswolken entschlüsselt. „Es gibt noch viele unerkannte Linien im ALMA-Spektrum von Sgr B2 und daher ist noch viel Arbeit zu leisten, um die chemische Zusammensetzung dieser wichtigen Quelle aufzudecken“, erklärt Seniorautor Karl Menten vom MPI für Radioastronomie. „In naher Zukunft wird die Erweiterung der ALMA-Instrumente auf niedrigere Frequenzen wahrscheinlich dazu beitragen, die Verwirrung des Spektrums weiter zu reduzieren und möglicherweise mehr organische Moleküle in Sgr B2 zu entdecken“, sagte der Astronom. (Astronomie & Astrophysik, 2022; doi: 10.1051 / 0004-6361 / 202243575) Quelle: Max-Planck-Institut für Radioastronomie 29. Juni 2022 – Nadja Podbregar