Mindestens sieben Menschen starben am Sonntag bei einem stürzenden Gletscher in der Nähe von Kanazei. Die Bergsteiger wanderten zur Marmolada. Mit über 3340 Metern ist er der höchste Berg der Dolomiten – ein beliebtes Ziel für Wintersportler und Wanderer. Acht Menschen wurden bei dem Naturereignis auf der dem Trentino zugewandten Seite verletzt – unter ihnen die beiden Deutschen. Eine ungewöhnliche Tragödie, die auch Fragen nach der Zukunft des Alpinsports aufwirft.

Was ist in der Marmolada passiert?

Nach offiziellen Angaben am vergangenen Sonntag gegen 13.30 Uhr. Ein Turm aus Gletschereis (Sérac) brach aus dem Marmolada-Massiv und stürzte auf den Weg zum Gipfel. Mit Geschwindigkeiten von bis zu 300 Kilometern pro Stunde donnerten Massen aus Eis, Schnee und Geröll das Tal hinunter. Die Lawine begrub mehrere Bergsteiger. Auf einer Höhe von etwa 2800 Metern erstreckt sich das Bruchmaterial des Gletschers nun über zwei Kilometer. Ein etwa 60 Meter hoher und 80 Meter tiefer Teil des Eises ist jedoch oben mit dem Massiv verbunden, wo jetzt eine sichtbare Lücke klafft.

Welche Umweltfaktoren könnten zum Unfall beigetragen haben?

Hohe Temperaturen und damit einströmendes Schmelzwasser könnten der Auslöser gewesen sein, sagte der Schweizer Glaziologe Matthias Huss. Der italienische Klimaforscher Roberto Barbiero stimmt zu. Das Wasser könnte dann einen Hohlraum zwischen Fels und Eis ausgewaschen und so den Gletscherabschnitt gestohlen haben. Seit mehr als einem Monat herrschen in der Region ungewöhnlich hohe Temperaturen, sagte der Klimaexperte. Am Unfalltag lag die Temperatur bei etwa zehn Grad über Null. Als zusätzliche Faktoren nennen Huss und Barbiero auch geringe Niederschlagsmengen im vergangenen Frühjahr und Winter. Laut Barbiero konnte der Gletscher daher die sonst vorhandene Schneedecke nicht ausnutzen, was letztlich dazu führte, dass der Schnee etwa einen Monat früher als üblich schmolz.

Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf Bergtouren?

Solche Gefahren habe es im Hochgebirge schon immer gegeben, sagte Huse. „Allerdings führt der aktuelle Klimawandel zu neuen und bisher schwer vorhersehbaren Situationen, die immer wieder neu bewertet werden müssen.“ Der Österreichische Alpensicherheitsverband weist auf einige Besonderheiten des Dolomitengletschers hin. „Der Fels unten ist sehr steil, das ist nicht überall so“, sagt Matthias Knaus vom Innsbrucker Vorstand. Man sollte daraus nicht einfach auf andere Gletscher schließen. Viele Gletscher rutschen auf relativ flachem Grundgestein ins Tal, was das Risiko solch dramatischer Ereignisse stark reduziert.

Ist es noch sicher, unter solchen Gefahren zu wandern?

Bergführer in Italien seien sich der Änderungen bewusst, erklärt der Verband der Bergführer in Italien. Ihre Aufgabe ist es daher, nach alternativen Routen mit weniger Risiken zu suchen. Der österreichische Knaus empfiehlt: Generell sollte jeder Bergwanderer Risikomanagement betreiben. „Wenn ich mich in einer möglichen Fallzone eines Gletschers befinde, sollte ich diese schnellstmöglich wieder verlassen.“ Auch italienische Bergführer raten dazu, die Wanderung zu Hause sorgfältig vorzubereiten. Barbiero beruft sich auf Hinweise des Zivilschutzes und Hinweise der Hüttenwärter.

Können Gefahren durch instabile Gletscher vorhergesagt werden?

Im Fall der Marmolada gehen der italienische Bergführerverband und Klimaexperte Barbiero davon aus, dass der Unfall nicht vorhersehbar war. Laut Glaziologe Matthias Huss können Bergführer selbst mit großer Erfahrung kaum einschätzen, ob ein Einsturz bevorsteht. „Wenn ein kritischer Zustand erkannt wird, könnte nur die kontinuierliche Beobachtung der Veränderung Aufschluss über den Zeitpunkt des Ereignisses geben.“ Matthias Knaus rechnet in den kommenden Jahren mit einem Ausbau der Frühwarnsysteme. Huss sieht darin jedoch eine große Herausforderung.