Fünf Tage lang waren das Lauterbacher Ministerium und der Bundesbeauftragte für Sucht und Drogen, Burkhard Blienert (SPD), zu einem Austausch eingeladen. Internationale Experten berichteten von Legalisierungserfahrungen in Kanada, den USA, Südafrika und Uruguay. Branchenverbände setzten sich für eine liberale Gesetzgebung ein, Jugendschutzbeauftragte debattierten über Prävention. Im Herbst sollen die Ergebnisse in ein Eckpunktedokument einfließen, im nächsten Jahr entscheidet der Bundestag über die Legalisierung. Mehr über Cannabis und Drogenpolitik Lauterbach sieht darin einen historischen Schritt, aber auch viele offene Fragen. So muss beispielsweise das Straßenverkehrsrecht angepasst, internationales und EU-Recht eingehalten werden. Klar ist auch, dass der Verkauf auf autorisierte Fachgeschäfte beschränkt werden sollte, um beispielsweise eine sachgerechte Beratung zu gewährleisten. Allerdings spricht der Gesundheitsminister auch von seiner anfänglichen Skepsis, insbesondere gegenüber dem Konsum von Kindern und Jugendlichen. Lauterbach wird persönlich: „Meine guten Freunde wurden süchtig, wechselten später die Drogen und starben.“ Erst in den Koalitionsverhandlungen wurde ein liberaler Ansatz eröffnet. Hier haben sich die Grünen und die FDP hervorgetan. Auch bei den Expertenanhörungen spielte Lauterbachs Skepsis eine Rolle. Grund dafür: Ein Bericht des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) zum Stand des weltweiten Drogenkonsums – und er kommt mit alarmierenden Ergebnissen. Lesen Sie auch Dementsprechend belastet der Drogenkonsum das Gesundheitssystem der Europäischen Union. 30 % der Behandlungen von Drogenkonsumenten gehen auf den Konsum von Cannabis zurück. Krankenhausaufenthalte nehmen zu, ebenso wie psychische Erkrankungen und sogar Selbstmorde. Ursache ist neben gefährlichen Verunreinigungen und Unreinheiten auch der THC-Gehalt. Dies ist auf dem Schwarzmarkt äußerst volatil und wird zunehmend problematisch. Der Konsum nimmt weltweit zu, auch in Ländern, in denen eine Legalisierung stattgefunden hat. „Cannabiskonsum ist immer noch ein Problem für junge Menschen“, betonte Lauterbach. Es kann „ein Leben zerstören, bevor es richtig beginnt“. Daher sollte Cannabis nicht als „Lifestyledroge wie jede andere“ präsentiert werden, sondern der Jugendschutz und die Prävention sollten im Vordergrund stehen.
Nur der Schwarzmarkt schafft die Probleme
Dennoch: Die Laterne wird durch den UN-Bericht in ihrer Absicht bestätigt. “Die Verbotspolitik hat endgültig versagt”, kommentiert Kristine Lütke, sucht- und drogenpolitische Sprecherin der FDP im Bundestag. Der Schwarzmarkt schafft viele Probleme und macht es unmöglich, Verbraucher, Gesundheit und Jugend zu schützen. “Cannabis muss aus der Schmuddelecke kommen.” Ziel sei eine “gesundheitsorientierte Drogenpolitik auf der Grundlage von mehr Schutz, Information und Hilfe”. Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) stimmt zu. Laut der drogenpolitischen Sprecherin der Grünen-Fraktion verschärfen sich die Gefahren des Konsums unter “Schwarzmarktbedingungen”, etwa durch gefährliche Kutter. Unter den aktuellen Umständen sind Prävention und Hilfe schwieriger. “Eines ist klar: Betroffene brauchen Hilfe ohne Angst vor Strafverfolgung.” Lesen Sie auch Die Steuereinnahmen aus dem Verkauf von Cannabis sollen für die Prävention und Betreuung von Suchtkranken verwendet werden, teilt der Bundesdrogenbeauftragte Blienert WELT mit. Es brauche einen “Paradigmenwechsel” im Umgang mit Drogen und Sucht: “Ich möchte nicht mehr, dass jemand wegen Drogenkonsums stigmatisiert wird.” In der Opposition wird der UN-Bericht jedoch kritischer gesehen. Simone Borchardt, Sprecherin für Sucht- und Drogenpolitik der Unionsfraktion, nennt die Ergebnisse „sehr besorgniserregend“. Der Bericht wirft Fragen zum Ampelprojekt auf: „Ich bezweifle, dass die Bundesregierung die gesundheitlichen Folgen eines kontrollierten Verkaufs von Freizeit-Cannabis mit der nötigen Sorgfalt betrachtet“, sagte Borchardt WELT. Im Gegensatz zur medizinischen Nutzung lehnen sie die Legalisierung für Freizeitzwecke vollständig ab.
“Ich habe einmal Opium genommen, es war großartig”
Grundsätzlich befürwortet Henryk M. Broder die Unabhängigkeit des heimischen Drogenmarktes beispielsweise von Kolumbien oder Afghanistan. Wohin die Rohstoffabhängigkeiten beim Erdgas führen, sehen wir derzeit. Die Legalisierung von Cannabis lehnt er jedoch ab – und verrät, welche Droge er bevorzugt.
Experten begrüßen den Schritt der Legalisierung aber auch im Jugendbereich. „Die Entkriminalisierung muss auch für Jugendliche gelten“, sagte Esther Neumeier von der Deutschen Beobachtungsstelle Drogen und Sucht. Das derzeitige „illegale Regime“ verhindere die Aufklärung über die Droge in den Schulen, sagte Gabriele Sauermann von der Deutschen Zentralstelle für Suchtfragen. Die Kriminalisierung hält viele zu lange davon ab, Hilfe zu suchen, sagt Kappert-Gonther von den Grünen.
Ziel ist es, den Schwarzmarkt vollständig zu eliminieren. Dadurch wird der Verbrauch von Schadstoffen oder gefährlichen Lösungsmitteln verhindert. „Wenn das schon junge Leute machen, dann sollten sie es nicht auf dem Schwarzmarkt bekommen“, sagt Sauermann.
„Für mich ist es sehr wichtig, dass wir keine Werbung für Cannabis zulassen und damit die Fehler vermeiden, die in der Vergangenheit bei Alkohol und Tabak gemacht wurden“, sagte Blienert gegenüber WELT. Dazu sollte auch Internetwerbung gehören, forderte Experte Sauermann. Auch mit Social Media Influencern.
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Aber woher kommt Cannabis für deutsche Konsumenten? Justus Haucap, Volkswirt am Düsseldorfer Institut für Wettbewerbsökonomie, setzt auf die deutsche Landwirtschaft: „Es gibt genug Gewächshäuser, in denen sie angebaut werden könnte.“ Um die zum Räuchern verwendeten Blüten zu erhalten, ist laut UN-Bericht ein gezielter Indoor-Anbau notwendig, im Gegensatz zum Outdoor-Anbau entsteht viel CO₂. Hier müssen noch Lösungen gefunden werden.
Es gibt noch unbeantwortete Fragen zu dieser App. Georg Wurth, Geschäftsführer des Deutschen Cannabisverbandes, forderte die Legalisierung einer möglichst breiten Produktpalette. „Wir brauchen die gesamte Bandbreite dessen, was gerade auf dem Markt ist.“ Er ist beispielsweise skeptisch, was THC-Obergrenzen betrifft, da dies mehr Raum für Schwarzmarktgeschäfte lässt.
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Tatsächlich zeigt der UN-Drogenbericht auch, dass die Legalisierung nicht immer zum Verschwinden des Schwarzmarktes führt. Etwa die Hälfte der Verbraucher in Kanada bezieht ihr Cannabis weiterhin vom illegalen Markt. In Uruguay, wo es neben kommerziellen Angeboten sogenannte Social Cannabis Clubs gibt, hat sich ein typischer „grauer Markt“ entwickelt, auf dem beispielsweise Homegrower ihr Cannabis günstig abgeben.
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