Diese Woche will die Union die Laufzeitverlängerung des Atomkraftwerks beantragen – und macht Druck auf die FDP. Sie ist auch atomfreundlicher – anders als ihr Koalitionspartner. Von der SPD heißt es: Debatte schadet Wirtschaftsstandort.
Angesichts der drohenden Gaskrise will die Unionsfraktion den Bundestag auffordern, langfristig über Atomkraftwerke abzustimmen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kündigte an, seine Fraktion werde am Donnerstag parallel zur Abstimmung über eine mögliche längere Laufzeit von Kohlekraftwerken einen entsprechenden Änderungsantrag einbringen. Damit kann die Bundesregierung Atomkraftwerke länger am selben System laufen lassen.
Spahn: So viel Strom wie möglich
Der Antrag, der exklusiv im ARD-Hauptstadtstudio erhältlich war, besagt, dass die Ampelkoalition schneller für Ersatz und Alternativen zu Erdgas sorgen muss. Außerdem soll früher Energie eingespart werden. Der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Jens Spahn sagte, in dieser ernsten Lage müsse schnell, entschlossen und realistisch gehandelt werden. „Wenn jetzt nicht alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, holt es uns spätestens im Winter ein.“ Die noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke werden derzeit sechs bis sieben Prozent des deutschen Stroms liefern, sagt Spahn: „Wir brauchen so viel Strom wie möglich.“
Die Unionsfraktion dürfte mit der geplanten namentlichen Abstimmung die unterschiedlichen Ansichten in der Laternenregierung unterstreichen wollen. Von den drei Koalitionspartnern ist einer langfristig: die FDP. Sie hatte den Druck auf die Koalitionspartner SPD und Grüne erhöht, die letzten drei Atomkraftwerke Deutschlands angesichts steigender Energiepreise am Laufen zu halten. “Es ist an der Zeit, den Weiterbetrieb der Kernkraftwerke für mindestens fünf Jahre sicherzustellen”, sagte kürzlich FDP-Vizepräsident Wolfgang Kubicki.
Die Union sagt: „Der Leuchtturm muss jetzt zur Atomkraft Flagge zeigen: Die FDP muss zeigen, ob sie dranbleibt, und die Grünen und die SPD, ob sie ihre ideologische Blockade aufgeben.“
Die AfD plant eine eigene Petition
Auch die AfD-Fraktion will diese Woche einen Gesetzentwurf zur Änderung des Atomgesetzes in den Bundestag einbringen, kündigte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Bird Baumann an. Er nannte es “extrem absurd”, angesichts der Energiekrise “bestehende, voll funktionsfähige Atomkraftwerke” zu schließen. Eine Verlängerung der Laufzeit ist laut AfD technisch und organisatorisch möglich.
In Deutschland sind noch drei Kernkraftwerke in Betrieb: in Lingen, Neckarwestheim und bei Landshut. Bis Ende des Jahres sollen sie abgeschaltet werden.
SPD und Grüne vs. länger
SPD-Chef Lars Klingbeil lehnte erneut eine Amtszeitverlängerung zur Sicherung der Energieversorgung ab. “Atomenergie ist dafür keine Lösung”, sagte er bei einer Veranstaltung beim Wirtschaftsforum der SPD. “Wer diese Debatte führt, schadet am Ende dem Wirtschaftsstandort Deutschland.” Klingbeil verwies auf die Anschaffung von Brennstoffzellen, die Einstellung von Personal oder kürzlich nicht durchgeführte Sicherheitschecks. Es muss jetzt darum gehen, Erdgas zu liefern, Alternativen auszubauen und auch Kohlekraftwerke länger laufen zu lassen. Kernkraftwerksbetreiber sehen gelinde gesagt hohe Hürden.
Auch Finanzminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke hatten von einer Auflistung der Betriebszeiten für Atomkraftwerke abgeraten. „Einem kleinen Beitrag zur Energieversorgung stehen erhebliche finanzielle, rechtliche und sicherheitstechnische Risiken entgegen“, heißt es in einem gemeinsamen Prüfbericht der grün geführten Ministerien.
EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton fordert, dass Deutschland seine Atomkraftwerke länger am Netz halten sollte. „Es ist enorm wichtig, die drei noch in Betrieb befindlichen deutschen Atomkraftwerke länger laufen zu lassen“, sagte er dem Handelsblatt. “Zumindest für ein paar Monate und natürlich auf sichere Weise.” Breton argumentierte, dass die Verlängerung der Lebensdauer von Kernreaktoren im Interesse ganz Europas sei.
Katholiken warnen die EU
Die EU-Kommission plant, Atomkraft und Erdgas vorübergehend als umweltfreundliche Energien einzustufen. Das wollte das Europaparlament am Dienstag entscheiden. Die Einstufung als nachhaltig im Rahmen der Einstufung soll Investitionen in bestimmten Wirtschaftsbereichen anregen.
Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp, sagte, Atomkraft und Erdgas seien nicht als ökologisch nachhaltige Energieträger einzustufen. Stetter-Karp kritisierte in Berlin, dass bei einem entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission wirtschaftliche Investitionen in Erdgas und Kernenergie nachhaltig gefördert würden. “Es wäre keine ethisch vertretbare Investition.” Dies untergrabe nicht nur die Ziele der Transformation, sondern „fördere bewusst Investitionen in Sektoren mit verheerenden ökologischen Auswirkungen und Risiken“. Mit Informationen von Michael Stempfle, ARD-Hauptstadtstudio